Übersicht

Bei den meisten Eukaryoten würde ihre genomische DNA in voll gestrecktem Zustand mindestens einige Zentimeter betragen. Interessanterweise muss die genomische DNA in einem winzigen Kern mit nur wenigen Mikrometern Durchmesser untergebracht werden. Im Zellkern müssen verschiedene Arten von chromatinbezogenen Ereignissen wie Transkription, DNA-Replikation, Rekombination und Reparatur, die letztlich das Verhalten einer Zelle bestimmen, zeitlich und räumlich richtig koordiniert werden. Es ist bekannt, dass die DNA im Zellkern nicht zufällig gepackt ist, sondern zusammen mit vielen Proteinen hierarchisch organisiert ist. Wie das Chromatin gepackt ist, wie die Packung weiträumige Chromatininteraktionen beeinflusst und wie die epigenomischen und transkriptomischen Strukturen mit dem 3D-Genom verbunden sind, sind zentrale Fragen der Genombiologie.

Es wird erwartet, dass die Chromatinstruktur im gesamten Pflanzenreich stark variiert, da die Genome zwischen den Arten viel dynamischer und plastischer sind. Zurzeit sind jedoch die funktionelle und strukturelle Aufteilung der Chromatin-Domänen und die Strukturproteine, die die lokale Chromatin-Packung in Pflanzen regulieren, nur unzureichend verstanden. Auf lange Sicht ist dieses Wissen erforderlich, um verschiedene Chromatinaktivitäten in lebenden Zellen zu verstehen und strukturinformierte Pflanzengenomtechnik zur Erzeugung von Sorten mit gewünschten und konsistenten agronomischen Merkmalen zu implementieren.

Abbildung oben: DNA-Sequenzen und epigenetische Modifikationen bestimmen zusammen mit der 3D-Chromatinorganisation die Funktionsweise eines Genoms.

Dreidimensionale Chromatin-Organisation

Wir konzentrieren uns auf die Untersuchung der 3D-Chromatinstruktur in Pflanzen sowie auf ihre biologische Bedeutung in Bezug auf die Transkriptionsregulation als Reaktion auf Entwicklungshinweise und Umweltveränderungen. Vom Standpunkt der Genomstruktur aus gesehen, durch die Kombination von Hochdurchsatz-Sequenzierung, Informatik und modernen molekularbiologischen Ansätzen, konzentriert sich ein Großteil unserer Arbeit auf die integrative genomweite Analyse des Zusammenspiels zwischen epigenetischen Markierungen, Transkriptom und Chromatinorganisation. Heute sind wir in der Lage, Chromatinstrukturen in mehreren Pflanzenarten mit einer noch nie dagewesenen Auflösung zu untersuchen. Wir freuen uns über talentierte und motivierte Personen, die mit uns dieses aufstrebende Gebiet weiter erforschen wollen.

Abbildung oben: Ein Überblick über die Hi-C-Pipeline zur Untersuchung genomweiter Chromatin-Interaktionsmuster. Als Endprodukt dieser Pipeline sagt uns die Matrix (Hi-C-Karte), welche Teile im Genom nahe beieinander liegen. Diese Matrix kann auch durch Bezugnahme auf viele andere Chromatinmerkmale, wie Transkription und epigenetische Markierungen, analysiert werde.

Anordnung des Chromatins an der Kernperipherie

Der nukleare Raum ist keine homogene biochemische Umgebung. Zahlreiche Studien im Tierbereich haben gezeigt, dass die transkriptionelle Aktivität eines Gens mit seiner Positionierung im nuklearen Raum zusammenhängt. Nach der Entdeckung von Lamina-assoziierten Domänen (LADs) in Tiergenomen, die transkriptionell unterdrückte Chromatinregionen sind, wurden die Mechanismen, die die nicht-zufällige Positionierung des Chromatins an der Kernperipherie regulieren, und ihre biologische Relevanz intensiv untersucht. Heute ist bekannt, dass tierische Laminoproteine eine wesentliche Rolle bei der Verankerung von LADs an der Kernperipherie spielen. Pflanzen haben jedoch keine Laminoproteine; wie und warum Pflanzen eine selektive Chromatinpositionierung an der Kernperipherie aufweisen, ist nur unzureichend bekannt.

Unlängst haben wir entdeckt, dass einige pflanzenspezifische Proteine als "Lamin" fungieren, die bei der Regulierung der Chromatinorganisation an der Kernperipherie in Pflanzen benötigt werden. Zurzeit arbeiten wir daran, die molekularen Mechanismen aufzudecken, wie pflanzliches "Lamin" zur Regulierung des Wachstums und der Entwicklung von Pflanzen funktionieren.

Abbildung oben: Links: Spezifische Lokalisierung von Pflanzen-"Lamin"-Proteinen (rot) an der Kerngrenze. Rechts: Differenzierte Positionierung des Chromatins (rot und grün) an der Kernperipherie.